Sechs Tage lang erinnert die Türkei an die Ereignisse vor einem Jahr. Damals gelang es der gewählten türkischen Regierung einen Militärputsch abzuwehren. Ein Sieg für die Demokratie. Angesichts der langen Geschichte von Machtübernahmen durch das türkische Militär ein Grund zum Feiern. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack. Das liegt an der Politik Recep Tayyip Erdogans.Der türkische Präsident inszeniert sich als Held, als Retter der Demokratie und des Vaterslandes. Und er zeichnet Feindbilder. Im Land werden nicht nur mutmaßliche Drahtzieher und Täter inhaftiert, sondern offensichtlich viele die für eine liberale, weltoffene Türkei stehen.Angesichts von mehr als 50 000 in die Gefängnisse geworfenen Türken und mehr als 142 000 entlassenen oder suspendierten Staatsbediensteten drängt sich das Bild von Säuberungen auf. Ein Vorgehen, das man aus Diktaturen kennt, nicht aber aus Demokratien. Feinde hat Erdogan auch im Ausland ausgemacht, in Europa, besonders in Deutschland und in den Kurden, die im Nachbarland Syrien als Verbündete der USA den Kampf gegen die Terrormiliz IS tragen.Bis heute gibt es rund um den Putsch viele Ungereimtheiten. Die von Erdogan beschworene Drahtzieherschaft seines einstigen Partners Fethullah Gülen wird von westlichen Geheimdiensten nicht bestätigt. Längst gedeihen auch Verschwörungstheorien, wonach Erdogan den Putsch inszeniert habe. Das was der Türkei Frieden bringen könnte wird es aber nicht geben: eine ehrliche Aufarbeitung. Diese lässt Erdogans Erzählung nicht zu. Der Präsident braucht sein Heldenepos, sein Gottesgeschenk - wie er den Putsch nannte -, um seine neue, die islamistische Türkei zu bauen.___E-Mail an den Autor:alexander.pausch@oberpfalzmedien.de
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